Jules Verne
Kapitel 13-18
Kapitel 13
Die Bewohner des Siebenbürgerlandes und die Touristen, die über den Vulkansattel wandern, kennen vom Karpathenschlosse nur sein Aeußeres. Infolge der respektvollen Entfernung, in welcher die Furcht auch die tapfersten Leute von Werst und seiner Umgegend hielt, zeigte das Schloß den Blicken bloß den mächtigen Steinhaufen einer Burg in Trümmern.
Aber war die Burg im Innern so baufällig wie sich dem Aeußern nach schließen ließ? Nein. Unter dem Schutz ihrer festen Mauern waren die Baulichkeiten noch immer so fest, daß die alte Feudalfestung einer ganzen Garnison hätte Unterstand geben können. Franz hatte bloß einen einzigen Gedanken gehabt, in dieses Innere hinein zu dringen, und es war ihm geglückt. Ohne sich mit Gedanken über die Ausführbarkeit der Rückkehr zu befassen, ohne daß es ihm aufgefallen war, daß die Zugbrücke bloß niederzugehen schien, um ihn einzulassen, ohne daß er sich Unruhe machte darüber, daß sich das Tor, kaum daß er den Fuß hindurchgesetzt hatte, wieder schloß, daß sich die Zugbrücke, kaum daß er hinüber war, wieder senkte, rannte er die weite, gewölbte Galerie entlang, mitten in dichtester Finsternis, über den stellenweis so arg beschädigten Estrich, daß der Fuß allen Halt zu verlieren drohte. Franz hielt sich an die linksseitige Wand und suchte Stütze an einem Anstrich, dessen Salpeter-Ueberzug unter dem Druck seiner Hand wich. Außer dem in der Ferne widerhallenden eigenen Schritte drang kein Geräusch zu ihm. Im Rücken traf ihn ein lauwarmer Luftzug, untermischt mit etwas wie Moderduft.
An einem steinernen Pfeiler vorbei, der den letzten Winkel links stützte, gelangte Franz zum Eingänge eines merklich weit schmälern Ganges, dessen beide Wände er mit gespreizten Armen berührte.
So drang er vor, in gebückter Haltung, um zunächst festzustellen, ob der Gang in gradliniger Richtung laufe. Ungefähr 200 Schritte von dem Pfeiler im Winkel ab merkte Franz, daß der Weg links abbiege, um nach fünfzig weiteren Schritten völlig entgegengesetzt zu laufen. Franz versuchte seinen Gang zu beschleunigen; aber aller Augenblicke wurde er durch einen Bodenvorsprung, gegen den er rannte, oder durch weitere scharfe Biegungen aufgehalten. Von Zeit zu Zeit traf er auf eine Oeffnung in der Wand, durch die sich Seitenwege abzuzweigen schienen. Aber alles lag in undurchdringlicher Finsternis, und umsonst suchte er sich im Schoße dieses Labyrinths, eines richtigen Maulwurfbaus, zurechtzufinden.
Wiederholt sah er sich gezwungen, umzudrehen, weil er gewahr wurde, daß er sich in Sackgassen verlief. Was er vor allem fürchten mußte, waren Falltüren, die zufolge schlechten Verschlusses unter seinem Fuße weichen könnten, oder Verließe, aus denen es für ihn kein Entrinnen mehr geben möchte. Darum achtete er, sobald er auf hohl klingende Stellen im Estrich geriet, sorgfältig darauf, den Halt an der Wand zu behalten, drang aber nach wie vor mit einem Eifer vor, der ihm keinen Augenblick Muße zur Ueberlegung ließ.
Es stand für ihn außer Frage, daß zwischen dem Ausfalltor und den Burgbaulichkeiten eine direktere Verbindung vorhanden sein müsse. Zur Zeit als die Burg vom Geschlechte der Görz noch bewohnt war, bestand die Notwendigkeit nicht, sich durch diese endlosen Gänge den Weg zu suchen. Ein zweites Tor, dem Ausfalltor gegenüber, auf der andern Seite der Galerie, führte nach der Waffenkammer, in deren Mitte sich der Lugturm erhob; aber es war verbaut und Franz hatte nicht einmal die Stelle wahrnehmen können, wo er sich befand.
Eine Stunde lang war der Graf so herumgeirrt, gespannten Ohres, ob sich irgendwo ein Geräusch hören lasse, und ohne daß er sich getraute, jenen Namen wieder auszurufen, den die Echos bis zu der höchsten Warte des Lugturms hinaustrugen. Ihm sank der Mut nicht, und nicht früher wollte er weichen, als bis ihm die Kraft völlig versagte und sich ihm kein unübersteigliches Hindernis gegenüber stellte.
Franz war aber schon am Ende seiner Kraft, ohne daß er sich dessen bewußt wurde. Seit seinem Aufbruch von Werst hatte er nichts gegessen. Er litt Hunger und Durst. Sein Schritt war nicht mehr fest, und die Beine versagten ihm. In der feuchten warmen Luft, die sein Kleid durchdrang, war ihm der Atem kurz geworden und schlug ihm das Herz wie rasend.
Es mußte fast 9 Uhr sein, als Franz, den Fuß vorsetzend, keinen Boden mehr fand. Er bückte sich, und seine Hand traf auf eine Stufe, die nach unten führte, dann auf eine zweite, dritte und so fort. Eine Stiege führte in die Kellerräume des Schlosses, vielleicht zu einem Ausgange.
Franz zögerte nicht, sie zu betreten. Er zählte die Stufen. Die Treppe lief in schräger Richtung zu dem Gange. 77 Stufen führten zu einem zweiten horizontal laufenden Gange, der sich in vielfältigen finsteren Ab- und Umwegen verlor.
Franz lief eine reichliche halbe Stunde und wollte schon, von der maßlosen Anstrengung wie zerschlagen, inne halten, als etwa 2-300 Schritte vor ihm ein leuchtender Punkt sichtbar wurde.
Woher kam dieser Schein? war es bloß eine natürliche Erscheinung, das Leuchtgas eines Irrlichts, das sich in der Tiefe entzündet hatte? oder war es bloß ein Licht, das von einem in der Burg Wohnenden getragen wurde?
»Sollte sie es sein?« flüsterte Franz.
Ihm fiel der erste Lichtschein ein, der ihm den Weg zur Burg hinein gewiesen hatte, als er sich zwischen die Felsen des Orgall-Plateaus verirrt hatte. Wenn es die Stilla war, die ihm von einem der Turmfenster aus geleuchtet hatte, so ließ sich wohl mutmaßen, daß sie jetzt wieder es war, die ihn durch die Kreuz- und Quergänge dieser unteren Schloßräume führte.
Kaum seiner noch Herr, bückte sich Franz und sah geradeaus, ohne sich zu rühren.
Ein Lichtschein weit mehr als ein Lichtpunkt schien am Ende des Ganges eine Art unterirdischen Gewölbes zu füllen.
Außer stande, sich noch auf den Beinen zu halten, kroch Franz auf allen Vieren an der Erde weiter und brach, nachdem er durch eine schmale Oeffnung gekrochen war, auf der Schwelle eines Grabgewölbes zusammen.
Dieses Grabgewölbe, verhältnismäßig gut erhalten und annähernd ein Dutzend Fuß hoch, dehnte sich in kreisrunder Form über einen fast gleichmäßigen Durchmesser. Dem zwischen zwei Säulen befindlichen Portal gegenüber befand sich eine zweite verschlossene Tür, an welcher die verrosteten Kuppen dicker Nägel die Stelle anzeigten, wo sich auf der Außenseite das Schloß befand.
Franz richtete sich auf, schleppte sich bis zu dieser zweiten Tür und suchte die schweren Beschläge zu lösen. Vergebliche Mühe!
Einiges baufällige Mobiliar stand in der Krypta: hier ein Bett oder vielmehr Schrägen aus altem Eichenholz, auf dem verschiedenes Bettzeug umherlag; dort ein Schemel mit gedrehten Füßen, ein mit eisernen Krammen an die Wand festgemachter Tisch. Auf dem Tische stand verschiedenerlei Gerät herum, ein großer Wasserkrug, ein Teller mit kaltem Wildpret, ein großes Stück Brot, das wie Schiffszwieback aussah. In einem Winkel spielte eine Fontäne, die von einem schmalen Wässerchen gespeist wurde, dessen Ueberschuß durch eine am Fuß eines der Pfeiler angebrachte Rinne seinen Abfluß erhielt.
Deuteten nicht diese Vorkehrungen darauf, daß in dieser Krypta entweder ein Gast – oder vielmehr ein Gefangener – erwartet wurde? war dieser Gefangene etwa Franz? und war er durch List hierher gelockt worden?
Franz schöpfte in dem Gedankenwirrsal, in welchem er lebte, gar nicht einmal solchen Argwohn. Von Mangel und Anstrengung erschöpft, verschlang er die auf dem Tisch stehende Speise und löschte seinen Durst aus dem Kruge. Dann ließ er sich quer über das große Bett fallen, auf dem ihm ein paar Minuten Ruhe seine Kräfte zum Teil wiedergeben konnten.
Aber als er seine Gedanken sammeln wollte, schien es ihm, als zerrannen sie wie Wasser, das er in der Hand halten wollte.
Sollte er also bis zum Anbruch des Tages warten, um seine Nachforschungen wieder aufzunehmen? Sollte seine Willenskraft derart gelähmt sein, daß er nicht mehr Herr seines Willens war?
»Nein!« sprach er bei sich, »ich will nicht warten – hin zum Turm! – ich muß noch in dieser Nacht auf den Turm!«
Plötzlich verlöschte die künstliche Helle, die von der im Gewölbe-Schlußstein eingelassenen Hängelampe ausgestrahlt war, und die Krypta war in völlige Finsternis getaucht. Franz wollte sich aufrichten. Es gelang ihm nicht. Seine Gedanken entschlummerten oder, richtiger gesagt, das Uhrwerk seines Gehirns stand plötzlich still. Es war eine merkwürdige Schlaf- oder vielmehr Starrsucht, eine gänzliche Vernichtung des Seins, die ihren Ursprung nicht in der Einlullung der geistigen Fähigkeiten hatte.
Wie lange dieser Schlaf gedauert hatte, konnte Franz beim Erwachen nicht feststellen. Seine Uhr war stehen geblieben. Aber die Krypta war neuerdings von künstlichem Licht überflutet.
Franz sprang vom Bett auf und tat ein paar Schritte nach der Richtung der ersten Türe. Sie stand nach wie vor offen. Er tat ein paar Schritte nach der zweiten Türe. Sie war nach wie vor geschlossen.
Er wollte überlegen. Aber das ging nicht ohne Mühe. Während sein Leib von den Anstrengungen des verflossenen Tages noch immer wie gerädert war, fühlte er, daß ihm der Kopf hohl und schwer zugleich war.
»Wie lange habe ich geschlafen?« fragte er sich – »ist es Nacht oder Tag?«
Im Innern der Krypta war keine Veränderung vor sich gegangen, außer daß das Licht wieder brannte und Speise und Trank erneuert worden waren.
War also, während Franz in diesem todesgleichen Schlafe lag, jemand in der Krypta gewesen? war es bekannt, daß er in die Tiefen der Burg gedrungen war? – und wenn er sich in der Gewalt Rudolfs von Görz befand, war er dann verurteilt zu allem Verzicht auf den Umgang mit seinesgleichen?
Das ließ sich nicht annehmen, – und dann stände es ihm doch frei zu fliehen, denn den Gang, auf dem er zum Ausfalltore gelangen könnte, würde er doch unbedingt wiederfinden und mithin auch den Weg aus dem Schlosse ins Freie.
Hinaus ins Freie? – Jetzt erst besann er sich, daß sich das Ausfalltor hinter ihm wieder geschlossen hatte.
Nun! dann würde er suchen die Wallmauer wieder zu finden und aus einer der Schießscharten den Weg ins Freie zu finden – aus der Burg mußte er wieder, und zwar binnen jetzt und einer Stunde längstens.
Aber die Stilla? sollte er darauf verzichten, bis zu ihr zu gelangen? – sollte er vom Schlosse weg, ohne sie Rudolf von Görz entrissen zu haben?
Ja! und was er allein nicht hatte vollbringen können, das würde er vollbringen mit Hilfe der Karlsburger Polizei, die Rotzko von Karlsburg nach Werft führen sollte – und sobald dieser Entschluß gefaßt war, galt es, ihn unverzüglich in Ausführung zu setzen.
Franz stand auf und begab sich zu dem Gange hin, auf dem er gekommen war, als sich hinter dem zweiten Portal der Krypta etwas wie Rutschen oder Gleiten oder Huschen wahrnehmen ließ.
Sicherlich ein Geräusch in langsamer Annäherung begriffener Schritte.
Franz lehnte das Ohr gegen die Türverkleidung, hielt den Atem an und lauschte.
Die Schritte schienen in regelmäßigen Pausen zu geschehen, ganz so, als ob jemand von einer Stufe auf die andere stiege. Kein Zweifel also, daß eine zweite Treppe vorhanden war, die die Krypta mit den Gängen im Innern in Verbindung setzte.
Um für jedes Ereignis gerüstet zu sein, zog Franz aus seinem Gurt das Messer und nahm es fest in die Hand. Sollte es etwa ein Diener des Barons sein, so wollte er sich auf ihn stürzen, wollte ihm die Schlüssel entreißen, wollte ihn außer stand setzen ihn zu verfolgen – dann wollte er zusehen, auf diesem neuen Ausgange den Weg zum Lugturm zu gewinnen – sollte es hingegen Rudolf von Görz selbst sein, und er den Mann in ihm genau erkennen, den er in dem Augenblicke gesehen hatte, als die Stilla auf der Bühne des San Carlo-Theaters zusammenbrach, – dann wollte er ihn ohne Gnade und Barmherzigkeit niederstechen.
Unterdes waren die Schritte bis zur äußern Portalschwelle gelangt. Franz wartete, ohne ein Glied zu rühren, daß das Portal sich öffnen solle. Es geschah nicht, aber eine Stimme von unsäglicher Milde und Süße drang zu seinen Ohren.
Die Stimme der Stilla – ja! – wenn auch abgeschwächt, so doch mit all ihrer lieblichen Modulationskraft, ihrem unaussprechlichen Reiz, das wunderbare Werkzeug jener herrlichen Kunst, das mit der Künstlerin gestorben zu sein schien.
Die Diva sang wieder die klagende Melodie, die Franz in Traum gewiegt hatte, als er in der großen Werster Gaststube saß und schlummerte:
Nel giardino de mille fiori,
Andiamo, mio cuore ...
Dieses Lied drang Franz bis in die tiefste Tiefe seiner Seele – er sog es in sich ein, er schlürfte es wie einen göttlichen Saft, während die Stilla ihn zum Kommen, zum Mitgehen aufzufordern schien:
Andiamo, mio cuore ... andiamo ...
Und doch öffnete sich das Portal nicht, ihm den Durchgang zu gestatten – er könnte also nicht bis zur Stilla hin gelangen, könnte sie nicht in die Arme schließen, könnte sie nicht aus der Burg reißen?
»Stilla! meine Stilla!« schrie er – und warf sich gegen die Tür, die all seinen Anstrengungen widerstand.
Schon schien der Gesang schwächer zu werden, – die Stimme zu verlöschen – und die Schritte schienen sich zu entfernen.
Auf den Knieen suchte Franz die Dielen aufzureißen, mit den Fingerspitzen suchte er die Beschläge an den Portalen zu lösen, und immer, immer rief er die Stilla, deren Stimme fast nicht mehr zu hören war.
Da schoß ihm ein gräßlicher Gedanke wie ein Blitz in das Gehirn.
»Von Sinnen!« schrie er – »von Sinnen ist sie, denn sie hat mich nicht wiedererkannt – hat mir nicht Antwort gegeben! Seit fünf Jahren hier eingesperrt – in der Gewalt dieses Menschen – meine arme Stilla – den Verstand verloren! den Verstand verloren – arme, arme, arme Stilla!«
Dann fuhr er in die Höhe, mit stieren Blicken, wüsten Gebärden und einem Kopfe wie Feuer so heiß – –
»Auch ich – auch ich spüre, daß es geschehen ist um meinen Verstand! daß ich verrückt werde, verrückt – verrückt wie sie –«
Mit Sätzen wie ein Raubtier in seinem Käfig durchraste er das Gewölbe.
»Nein!« rief er – »nein! ich muß den Kopf beisammen halten – ich muß hinaus aus der Burg – und ich werde den Weg hinaus finden.«
Mit einem Satze war er beim ersten Portal – es hatte sich geräuschlos geschlossen, ohne daß Franz es bemerkte, während er der Stimme der Stilla lauschte.
Vorher Gefangener im Burginnern, war er jetzt gefangen in dem Grabgewölbe.
Kapitel 14
Franz war wie versteinert. Ganz wie ihm seine Furcht es ausgemalt hatte, kamen ihm nacheinander die Ueberlegungskraft, die Auffassungskraft, die Intelligenz, Schlüsse zu ziehen, abhanden. Die einzige Empfindung, die ihm nicht abhanden kam, war die Erinnerung an die Stilla, war der Eindruck jenes Liedes, das ihm von den Mauern dieses finstern Gewölbes nicht mehr widerhallte.
War er denn der Spielball eines Wahnes gewesen? Nein, tausendmal nein! was er eben gehört hatte, war doch die Stimme der Stilla gewesen, und keine andere – und was er auf dem Bastionsvorsprung gesehen hatte, war doch die Gestalt der Stilla gewesen, und nichts anderes!
Da nahm ihn jener Gedanke wieder gefangen, daß sie den Verstand verloren habe, und dieser schreckliche Gedanke traf ihn so schwer, als hätte er sie eben zum zweitenmal verloren.
»Von Sinnen!« wiederholte er bei sich – »ja wohl, ja wohl, von Sinnen! denn sie hat meine Stimme nicht erkannt – denn sie hat mir nicht geantwortet – von Sinnen! von Sinnen! von Sinnen!«
Und das war gar nicht unwahrscheinlich.
Ha! wenn er sie hätte der Burg entreißen, wenn er sie hätte nach dem Schlosse Krajowa schleppen, sich ihr ganz weihen, sie hegen und pflegen können – dann würde er sie wohl zur Vernunft zurückgebracht, ihren Geist wieder gesund gemacht haben – das sagte sich Franz, während er, von einem schrecklichen Delirium befallen, in dem Gewölbe umherraste, und Stunde auf Stunde verrann, ehe er wieder die Macht über sich selbst gewonnen hatte.
Nun versuchte er kalt zu überlegen, sich in dem Wust seiner Gedanken wieder zurechtzufinden.
»Ich muß fliehen von hier!« sprach er bei sich – »aber wie? – sobald man dieses Portal wieder öffnen wird – ja! während ich schlief, hat man Speise und Trank für mich erneuert – richtig! – ich will warten, will mich stellen, als wenn ich schliefe.«
Da kam ihm ein Argwohn: sollte etwa das Wasser im Kruge eine einschläfernde Substanz enthalten? Als er in diesem dumpfen Schlaf, in dieser gänzlichen Vernichtung des Seins, über deren Dauer er sich keine Vorstellung machen konnte, gelegen hatte, da hatte er zuvor von diesem Wasser getrunken – nun! er würde kein Wasser mehr aus diesem Kruge trinken, würde auch nichts mehr von den Speisen anrühren, die auf den Tisch im Gewölbe gestellt würden – es würde schon einer von den Burgleuten kommen, und zwar bald – bald – –
Bald? woher wußte er das? wie konnte er das sagen? Stand die Sonne jetzt im Zenith oder ging sie unter? war es Tag, oder war es Nacht?
Franz lauschte und lauschte, ob sich Tritte hören ließen vom einen Portale zum andern – aber kein Geräusch wurde laut, und mit einem Kopfe, der ihm wie im Fieber brannte, verstörten Auges, während ihm die Ohren summten und sein Atem unter dem Druck einer schweren dumpfen Luft, die sich anders als durch die Türfüllungen nicht erneuern konnte, sich keuchend, pfeifend aus seiner Brust heraufrang, kroch er an den Wänden des Gewölbes entlang.
Plötzlich fühlte er in dem Winkel eines der rechtsseitigen Pfeiler einen frischeren Lufthauch über seine Lippen streichen.
Befand sich denn hier eine Oeffnung, durch die von draußen frische Luft hereindrang?
Ja – hier war ein Gang, den man unter dem Schatten des Pfeilers nicht vermutete. Sich zwischen die beiden Wände zwängen, einer ziemlich unbestimmten Helle entgegen, die von oben herzukommen schien, war seitens des jungen Grafen im Nu geschehen.
Dort lag ein kleiner Hof, 5-6 Schritte breit, dessen Mauern an hundert Fuß empor ragten. Es war dem Grafen, als stünde er auf der Sohle eines Schachts, der als Lichthof oder Vorhof zu dieser unterirdischen Zelle gehörte.
Franz konnte sich vergewissern, daß es noch Tag sei. An der obern Oeffnung dieses Schachtes zeichnete sich ein Lichtwinkel in einer zur Standfläche schrägen Linie.
Die Sonne hatte wenigstens die Hälfte ihres täglichen Laufes vollbracht, denn dieser beleuchtete Winkel verengerte sich zusehends.
Es mußte ungefähr fünf Uhr nachmittags sein. Hieraus ging für Franz hervor, daß er mindestens 40 Stunden geschlafen haben mußte, und nun zweifelte er nicht mehr, daß solch langer Schlaf durch einen Einschläferungstrunk bewirkt worden sei.
Da nun der Graf mit Rotzko Werst am Abend vorher, am 11. Juni, verlassen hatte, mußte jetzt der 13. Juni sein.
So feucht die Luft auf der Sohle dieses Schachtes oder Hofes war, so atmete sie Franz doch mit vollen Lungen und fühlte sich, ein wenig erleichtert. Wenn er aber gehofft hatte, durch diesen langen steinernen Tubus den Weg zum Schlosse herauszufinden, so war er in einem Irrtum befangen gewesen. Jeder Versuch, sich längs dieser Wände in die Höhe zu arbeiten, war unausführbar.
Franz kehrte in das Gewölbe zurück. Da die Flucht bloß durch eines der beiden Portale möglich war, wollte er sich genau unterrichten über den Zustand, in welchem sie sich befanden.
Das erste Portal, durch das er in das Gewölbe gelangt war, war sehr stark, sehr dick, und mußte von außen durch Riegel gehalten werden, die in eisernen Krampen hingen. Ein Versuch, hier den Ausbruch zu bewirken, schien törichtes Beginnen.
Das zweite Portal, hinter dem die Stimme der Stilla hörbar geworden war, schien minder gut erhalten. Stellenweis waren die Balken verfault. Vielleicht wäre es nicht allzu schwierig, sich nach dieser Seite hin einen Weg zu bahnen.
»Ja – dort hinaus! dort hinaus!« sprach Franz bei sich, der all seine Kaltblütigkeit wiedergefunden hatte.
Aber es war keine Zeit zu verlieren, denn es stand zu erwarten, daß jemand in das Gewölbe kommen würde, sobald man annehmen durfte, daß er unter der Einwirkung des Schlaftrunkes eingeschlafen wäre.
Die Arbeit ging rascher von statten, als sich hatte hoffen lassen, denn Moder hatte das Holz um den eisernen Beschlag zerfressen, der die Riegel gegen die Holzwandung hielt. Franz war es geglückt, mit seinem Messer fast ohne jedes Geräusch das Stück in der Mitte herauszuschneiden. Zuweilen hielt er in der Arbeit inne, um zu lauschen, um sich zu vergewissern, daß draußen nichts zu hören sei.
Nach Verlauf von drei Stunden lagen die Riegel frei und die Tür öffnete sich mit lautem Geknarr ihrer Angeln.
Franz trat nun, um eine weniger stickige Luft zu atmen, wieder in den kleinen Hof hinaus.
In diesem Augenblick war der beleuchtete Winkel in der Schachtmündung nicht mehr sichtbar: ein Beweis dafür, daß die Sonne schon hinter dem Retjesat verschwunden war. Der Hof war in tiefe Finsternis getaucht. Im Oval des Randes funkelten noch ein paar Sterne, ganz so wie im Tubus eines langen Teleskops. Leichtes Gewölk zog langsam in dem intermittierenden Hauch jener Brisen, die mit Einbruch der Nacht abflauen, dahin. Gewisse Färbungen der Atmosphäre deuteten auch darauf hin, daß der Mond, der noch im zweiten Viertel stand, über den Horizont der Berge im Osten hinaus war.
Es mußte fast neun Uhr abends sein.
Franz trat wieder in das Gewölbe, um etwas zu essen und um sich den Durst mit dem Wasser aus der Fontäne zu löschen, nachdem er zuvor sorglich den Krug ausgegossen hatte. Dann schob er sein Messer in den Gürtel und schritt durch die Tür, die er hinter sich zuschlug.
Vielleicht träfe er jetzt die unglückliche Stilla, die in diesen unterirdischen Gängen herum irrte? Bei diesem Gedanken schlug ihm das Herz zum Zerspringen.
Sobald er ein paar Schritte getan hatte, stieß er gegen eine Stufe. Wie er sich gedacht hatte, fing dort eine Treppe an, deren Stufen er beim Hinaufgehen zählte. Es waren ihrer bloß 60, statt der 77, die er, um an die Schwelle des Gewölbes zu gelangen, hatte hinuntersteigen müssen. Also mußten bis zur Bodenoberfläche zurück noch etwa acht Stufen fehlen.
Da er indessen nichts anders im Sinne hatte, als dem finstern Korridor zu folgen, dessen beide Wände er mit den Händen berührte, setzte er seinen Weg fort.
Es verstrich eine halbe Stunde, ohne daß er aufgehalten worden wäre, weder durch eine Tür noch durch ein Gitter. Zahlreiche Biegungen, die der Gang machte, hatten ihn aber daran verhindert, die Richtung desselben zu der dem Orgall-Plateau gegenüberliegenden Wallmauer zu erkennen.
Nach einer Pause von mehreren Minuten, in der er Atem schöpfte, machte sich Franz wieder auf den Weg. Es kam ihm schon vor, als ob dieser Korridor kein Ende habe; da bot sich ihm ein Hindernis.
Es war die Wand einer Ziegelmauer.
Er tastete verschiedene Höhen ab, traf aber nicht auf die geringste Oeffnung.
Nach dieser Seite hin lag kein Ausgang.
Franz konnte einen Aufschrei nicht unterdrücken. Alles, worauf er seine Hoffnung gesetzt hatte, zertrümmerte an diesem Hindernis. Die Kniee knickten ihm zusammen, die Beine versagten ihm den Dienst, er stürzte der Länge nach an der Mauer hin.
Aber knapp über der Bodenoberfläche zeigte die Wand eine schmale Spalte. Hier waren die Ziegel lose und brüchig geworden.
»Hier hindurch – ja – hier hindurch!« rief Franz und begann, einen Ziegel nach dem andern zu lösen, als sich von der andern Seite her ein Geräusch vernehmen ließ.
Das Geräusch hatte nicht aufgehört. Gleichzeitig brach sich ein Lichtstrahl durch die Spalte den Weg.
Franz blickte vor sich hin.
Dort stand die alte Schloßkapelle. In welchen beklagenswerten Zustand von Baufälligkeit hatten Zeit und Vernachlässigung sie versetzt; bloß ein halb zerfallenes Gewölbe war sie noch, das sich mit einigen Rippen wohl noch auf höckerige Pfeiler stützte, von dem aber schon einige Bogen mit Einsturz drohten. In dieser seit Jahren verlassenen, allen Unbilden des Karpathenklimas ausgesetzten, Jahrhunderte alten Schloßkapelle stand ein Mann mit einer Fackel in der Hand, deren Schein voll auf sein Gesicht traf.
Franz erkannte den Mann aus der Stelle. Es war Orfanik, jener überspannte Gelehrte und Techniker, der den einzigen Umgang des Barons während seines Aufenthalts in den Hauptstädten Italiens gebildet hatte, jenes Original, das man gestikulierend, in Selbstgesprächen begriffen, in den Straßen auf und ab wandeln sah, jener unverstandene Gelehrte und Erfinder, der immer hinter Schimären herjagte und seine Erfindungen ganz sicher in den Dienst Rudolfs von Görz stellte.
Hätte also Franz bislang, selbst nach der Erscheinung der Stilla, noch Zweifel hinsichtlich der Anwesenheit des Barons im Karpathenschlosse hegen können, so war dieser Zweifel, seit Orfanik ihm vor den Augen stand, gänzlich geschwunden.
Was hatte dieser Mensch zu dieser vorgeschrittenen Nachtstunde in dieser verfallenen Kapelle zu verrichten?
Franz versuchte sich darüber Gewißheit zu schaffen: und was er sah, war folgendes:
Orfanik hatte sich auf den Boden gebeugt und ein paar Dinger vom Boden ausgenommen, die wie eiserne Zylinder oder Röhren aussahen und an die er einen Draht knüpfte, der sich um eine in einem Winkel der Kapelle aufgestellte Spule drehte. Die Aufmerksamkeit, mit der er seiner Arbeit oblag, war so groß, daß er den Grafen, wenn er näher herangetreten wäre, nicht einmal bemerkt hätte.
Ach! warum war die Spalte, die Franz zu erweitern angefangen hatte, nicht weit genug, ihm den Durchgang zu gestatten! er wäre in die Kapelle gedrungen, wäre über Orfanik hergefallen, hätte ihn dazu gezwungen, ihn in das Turminnere zu führen.
Aber vielleicht war es sein Glück, daß er so nicht handeln konnte, denn falls sein Beginnen gescheitert wäre, so würde ihn der Baron von Görz wohl dafür, daß er ihm seine Geheimnisse abgelauscht hatte, am Leben gestraft haben.
Kurz nachher trat ein anderer Mann in die Kapelle, der Baron Rudolf von Görz.
Die unvergeßliche Physiognomie dieser Persönlichkeit hatte sich nicht verändert. Er schien nicht einmal gealtert zu haben: sein von dem Oberlicht beleuchtetes Gesicht war noch so bleich und lang wie ehedem, sein Haar, wohl leicht ins Graue spielend, noch immer zurückgestrichen wie ehedem, sein Blick noch immer so funkelnd wie ehedem.
Rudolf von Görz trat zu Orfanik, um die Arbeit, mit der sich derselbe befaßte, zu mustern – und dabei wurde zwischen diesen beiden Männern mit kurzer Stimme das folgende Gespräch geführt:
Kapitel 15
»Die Verbindung mit der Kapelle ist fertig, Orfanik?«
»Ich bin gerade fertig.«
»In den Kasematten der Bastionen ist alles bereitet?«
»Alles.«
»Bastionen und Kapelle sind jetzt direkt mit dem Lugturm verbunden?«
»Jawohl.«
»Und uns wird Zeit zur Flucht bleiben, nachdem wir Strom gegeben haben?«
»Genug.«
»Ist festgestellt worden, ob der auf den Vulkansattel mündende Tunnel frei war?«
»Der Tunnel ist frei.«
Nun folgte einige Augenblicke Stille, während Orfanik wieder die Fackel genommen hatte und die Tiefen der Kapelle ableuchtete.
»Ha, du alte Burg, Burg meines alten Geschlechts!« rief der Baron, »teuer sollst du denen zu stehen kommen, die deinen Wall zu stürmen wagen wollen.«
Rudolf von Görz sprach die Worte in einem Tone, der dem jungen Grafen Grausen einflößte. Drauf sprach Orfanik:
»Vor 50 Minuten hat mir der Draht die Nachricht gebracht, daß im »König Mathias« Rat gehalten würde.«
»Der Sturm ist für heute nacht geplant?«
»Nein, für morgen bei Sonnenaufgang.«
»Seit wann ist dieser Rotzko wieder in Werst?«
»Seit zwei Stunden – mit der von Karlsburg herübergebrachten Polizeimannschaft.«
»Nun, wenn das Schloß auch nicht mehr im Verteidigungszustand ist, so wird es doch unter seinen Trümmern diesen Franz von Telek und jene begraben, die ihm beistehen werden.«
Nach Verlauf einiger Minuten setzte er hinzu:
»Und der Draht hier, Orfanik?« fuhr er fort; »es soll nie offenbar werden, daß er zwischen Schloß und Dorf Werst eine Verbindung herstellte.«
»Das wird nie der Fall sein. Den Draht zerstöre ich.«
Die Zeit ist nun wohl für uns da, die Erklärung gewisser Erscheinungen zu geben, die sich im Laufe dieser Erzählung gezeigt haben und deren Ursprung nicht länger unbeleuchtet bleiben darf.
Unsere Erzählung spielt, wie wir noch ganz besonders betonen wollen, in jenen letzten Jahren des zu Ende gegangenen 19. Jahrhunderts, in welchen die Anwendung der Elektrizität, die wir mit Recht als »die Seele des Alls« betrachten, auf den Höhepunkt ihrer Vollendung gelangte. Der erlauchte Edison und seine Jünger hatten ihr Werk vollbracht.
Unter den mannigfachen elektrischen Apparaten arbeitete das Telephon mit solch erstaunlicher Präzision, daß die von den Schallplatten aufgefangenen Töne frei, ohne Vermittelung eines Hörrohrs, zum menschlichen Ohre gelangten. Was gesprochen, gesungen, ja selbst geflüstert wurde, konnte man auf jede Entfernung hin hören, und zwei durch Tausende von Meilen getrennte Personen unterhielten sich miteinander, wie wenn sie beieinander säßen, ja sie konnten einander sogar, zufolge des jüngst erfundenen Teleskops, in Spiegeln, die durch Drähte verbunden waren, von Angesicht zu Angesicht erblicken.
Schon seit vielen Jahren war Orfanik, der unzertrennliche Kamerad des Barons Rudolf, auf dem Boden der praktischen Verwertung der Elektrizität ein Erfinder erster Klasse. Indessen hat der Leser ja schon gehört, daß seine erstaunlichen Erfindungen nicht jene Aufnahme fanden, die ihnen gebührte. Die gelehrte Welt stand auf dem Standpunkte, in ihm statt eines Genies in seiner Kunst einen Narren zu sehen. Daher stammte der unversöhnliche Haß in der Seele dieses verkannten, beiseite geschobenen, schiffbrüchigen Menschen gegen seinesgleichen.
Unter solchen Verhältnissen machte Orfanik durch einen Zufall Bekanntschaft mit dem Baron von Görz, der ihn zur Weiterführung seiner Arbeiten anspornte, finanziell unterstützte und unter der Bedingung bei sich Unterstand gab, daß ihm das alleinige Recht der finanziellen und wirtschaftlichen Verwertung aller durch Orfanik gemachten Erfindungen zustehen solle.
Diese beiden Persönlichkeiten, jeder für sich ein Original und phantastischer Narr, waren von Natur wie für einander geschaffen. Seit der Zufall sie zusammengeführt hatte, hatten sie sich nicht wieder getrennt, auch nicht als der Baron die Stilla durch alle Städte Italiens verfolgte.
Aber während der Musik- oder Gesangsnarr sich an dem Gesange der unvergleichlichen Künstlerin berauschte, befaßte sich Orfanik ausschließlich mit der Vervollkommnung aller in den letzten Jahren erfundenen elektrischen Apparate, mit der Erweiterung ihrer Anwendungsfähigkeit, und gelangte zu den erstaunlichsten Resultaten.
Nach dem dramatischen Abschluß, den die Laufbahn der Sängerin genommen hatte, war der Baron aus Neapel verschwunden, um sich in Orfaniks Begleitung nach seinem Felsschloß in den Karpathen zurückzuziehen, in der Absicht, dort ein paar Jahre lang in völliger Abgeschlossenheit zu leben.
Niemand sollte nun die Rückkehr auf die alte Burg seiner Ahnen wissen, niemand davon erfahren, niemand sollte auf den Gedanken kommen, ihm dort einen Besuch zu machen. Daß es nicht schwer war für die beiden Männer, sich den zum Leben notwendigen Unterhalt im Schlosse zu schaffen, mag noch bemerkt sein. Mit der über den Vulkansattel führenden Straße bestand vom Schlosse her eine Verbindung und auf diesem Wege besorgte ein ehemaliger Lakai des Barons, den niemand in der Gegend kannte, zu bestimmten Terminen alles was die beiden Männer zum Leben brauchten.
Was von der verfallenen Burg an Baulichkeiten noch stand, vornehmlich der Turmbau in der Mitte, war nicht so verfallen wie man auf den ersten Blick zu glauben geneigt war, und auch wohnlicher als nach den Bedürfnissen seiner Gäste notwendig war. Was Orfanik zu seinen Experimenten an Materialien brauchte, besaß er auf Jahre hinaus. Hier konnte er sich, durch nichts gestört, mit seinen erstaunlichen Arbeiten aus den Gebieten der Physik und Chemie befassen – und mit der Zeit kam ihm der Einfall, sich ihrer zum Zwecke der Fernhaltung ungelegenen Besuchs zu bedienen. Dem Baron war dies nur recht. An erster Stelle mußte es diesem aber von Wert sein, über alles unterrichtet zu sein, was im nächsten Orte vorging. Der dem Schlosse nächstgelegene Ort war das kleine Dorf Werst. Die Herstellung einer telephonischen Verbindung zwischen dem Schlosse und der Gaststube des »Königs Mathias«, in welcher die Dorf-Honoratioren allabendlich verkehrten, geschah durch Orfanik auf nicht minder geschickte als heimliche Weise unter den einfachsten Bedingungen. Ein Kupferdraht in Isolierschicht wurde vom obersten Stockwerk des Lugturms unter dem Gießbache bis zu dem Dorfe geleitet. Orfanik quartierte sich als Tourist auf eine Nacht im »König Mathias« ein, um diesen Draht mit der großen Gaststube zu verbinden, womit begreiflicherweise, da es sich bloß darum handelte, den im Strombett liegenden Draht zu dem Fenster der Hinterfront, das überhaupt niemals geöffnet wurde, hinaufzuleiten, keinerlei Schwierigkeiten verbunden waren. Als unter dem dichten Laube der telephonische Apparat angebracht war, wurde der Draht daran befestigt, und da der Apparat eingerichtet war, sowohl zur Aufnahme wie zur Abgabe des Schalls, so konnte der Baron durch ihn alles, was im »König Mathias« gesprochen wurde, hören und auch alles, was er verlautbaren wollte, verlautbaren.
Während der ersten Jahre wurde die Ruhe der Burg in keiner Weise gestört. Der schlimme Ruf, in welchem sie stand, war hinreichend, die Werster Bauern von ihr fernzuhalten. Zudem wußte ja alles in der Gegend, daß sie seit dem Abscheiden der letzten Diener der Baronin nicht mehr bewohnt wurde. Von dem Moment aber an, da der Schäfer über dem Turm Rauch hatte aufsteigen sehen, gingen die tollsten Gerüchte in der Gegend um, und was aus ihnen entstand, ist dem Leser ja zur Genüge bekannt.
Von da ab erwies sich die zwischen Schloß und Dorf hergestellte Verbindung als äußerst nützlich, denn der Baron konnte sich über alles unterrichtet halten, was im Dorfe vorging. Durch den Telephondraht erfuhren sie, daß sich der Waldhüter zur Burg hinauf begeben wollte, und auf demselben Wege wurde die Warnung nach der Gaststube geleitet, die von allem Besuch der alten Felsenburg abhalten sollte. Da der Waldhüter sich trotzdem nicht abhalten lassen wollte, beschloß der Baron ihm eine Lektion zu geben, die ihm und allen andern die Lust zu solchen Wagnissen vertreiben sollte. Orfaniks allzeit arbeitsfähiger Apparat brachte in jener Nacht eine Reihe von Erscheinungen hervor, die rein physischer Natur, aber so beschaffen waren, daß sie weit und breit in der Gegend Schrecken und Entsetzen wachriefen, wie das Läuten der Kapellenglocke, das intensive Streulicht, das zufolge von Beimischung von Seesalz allen Gegenständen, die es traf, ein geisterhaftes Aussehen lieh, die nebelhornartigen Töne, aus Apparaten bewirkt, aus denen die komprimierte Luft mit schrecklichem Getöse austritt, die photographischen Schattenrisse von Ungetümen, erlangt durch Reflektoren von mächtigem Umfang, nicht zum wenigsten endlich die durch Einführung von Platten zwischen das Gras der Grabensohle, die in Kontakt standen mit Batterien, und deren Strom bewirkte Erscheinung, daß der Doktor mit den Nägeln seiner Stiefelsohlen am Boden festgehangen hatte, wie endlich die elektrische Ladung aus den Batterien des Laboratoriums, die den jungen Waldhüter in dem Augenblicke getroffen hatte, als er mit der Hand auf das Eisen der Zugbrücke faßte.
Wie der Baron gerechnet hatte, hatten diese Vorgänge in die abergläubischen Bauerngemüter auf zwei Meilen im Umfange von Werst von dem Karpathenschlosse ein solches Grausen gesenkt, daß er sich vor weiteren Behelligungen sicher meinen durfte. Da war Franz von Telek in das Dorf gekommen. Auch dessen Unterhaltungen mit dem Schulzen und den übrigen Bauern hatte der Draht unter dem Bette des Gießbachs hin zur Burg empor getragen – der Baron hatte vernommen, daß nicht bloß ein Besuch des Schlosses auf dem Programm des jungen Grafen stand, sondern daß sich derselbe sogar mit dem Gedanken trug, den mutmaßlichen Bewohnern des Karpathenschlosses die Karlsburger Polizei auf den Hals zu hetzen. Da hatte er beschlossen, den Grafen durch die Stimme und die Erscheinung der Stilla in die Burg zu locken – wie ihm das gelungen, und was daraus zunächst weiter gefolgt war, weiß der Leser aus dem bisherigen Lauf der Erzählung.
Zu seinem höchsten Verdrusse hatte der Baron es nicht zu ändern vermocht, daß der Leibhusar des Grafen, dessen Mißtrauen aufs höchste gestiegen war, den Weg nach Karlsburg allein gemacht und die dortige Polizei alarmiert hatte. Ein Kommando lag nun im Dorfe. Sich gegen solche Uebermacht zur Wehr zu setzen, wäre sicher zwecklos gewesen; die gegen Patak und Nik Deck in Anwendung gebrachten Mittel hätten sich als unzulänglich erweisen müssen, denn die Polizei mißt Teufelsspuk und dergleichen Dingen keinen Glauben bei. Deshalb hatte er sich vorgenommen, sein altes Ahnenschloß von Grund aus zu zerstören, und er wartete mit Orfanik bloß noch auf den richtigen Augenblick. Ein elektrischer Strom lag in Bereitschaft, das unter Turm, Bastionen, Kapelle und anderweit gelegte Dynamit zur Explosion zu bringen. Auch zu ihrer Flucht waren die notwendigen Vorbereitungen auf das ausgiebigste getroffen worden.
Was von diesem Gespräch zu den Ohren des Grafen gelangt war, hatte ihn von allem unterrichtet, was die Vergangenheit betraf und wie es sich um die Ereignisse derselben verhielt. Ach! warum war es ihm nicht möglich, den Eintritt in die Kapelle zu erzwingen und sich auf diese beiden Männer zu werfen! bei dem Grimm, der ihn beherrschte, hätte er sie niedergestochen und unschädlich gemacht, hätte er ihr schreckliches Vorhaben vereiteln können.
Aber was im gegenwärtigen Augenblicke unmöglich war, ließ sich vielleicht ausführen, wenn der Baron mit Orfanik die Kapelle verlassen hätte? wenn er ihnen folgte, bis zum Turme hinauf? Dort könnte er vielleicht, wenn Gott ihm beistand, Gerechtigkeit üben!
Baron Rudolf und Orfanik waren schon unterwegs. Franz ließ sie nicht aus den Augen. Wo suchten sie den Ausgang? führte von hier aus ein Gang zur Wallmauer, oder stand die Kapelle durch einen Korridor mit dem Lugturm in Verbindung? schien es doch, als ob alle Gebäude der Burg untereinander verbunden wären. Alles dies hatte so lange wenig zu sagen, wie sich dem jungen Grafen kein Hindernis entgegenstellte, zu dessen Bezwingung seine Mittel nicht ausreichten.
Da fanden von neuem Worte, zwischen dem Baron und Orfanik gewechselt, den Weg zu seinen Ohren.
»Hier ist also nichts mehr zu verrichten?«
»Nein.«
»Dann trennen wir uns hier.«
»Ist es also nach wie vor Ihre Absicht, allein im Schlosse zu bleiben?«
»Ja, Orfanik! – brechen Sie sogleich auf – Sie wissen ja, durch den Tunnel des Vulkansattels.«
»Aber Sie?«
»Ich weiche erst im letzten Augenblick von der Burg.«
»Es bleibt also dabei, daß ich Sie in Bistritz erwarte?«
»Ja – in Bistritz –«
»Adieu denn, Baron Rudolf – da es Ihr Wille ist, lasse ich Sie hier allein.«
»Ja – denn ich will noch einmal – noch einmal in dieser letzten Nacht, die ich im Schlosse meiner Ahnen lebe, die Stimme der Göttlichen hören!«
Kurz darauf war der Baron mit Orfanik aus der Kapelle verschwunden.
Kapitel 16
Das Unheil stand vor der Tür. Franz konnte es nur hindern, wenn es ihm gelang, den Baron von Görz unschädlich zu machen.
Es war elf Uhr nachts. Franz, jetzt frei von Furcht entdeckt zu werden, machte sich wieder an seine Arbeit. Die Ziegel lösten sich ziemlich leicht aus der Wand. Aber sie war so dick, daß eine halbe Stunde verfließen durfte, bis die Oeffnung hoch und weit genug war, ihm den Durchlaß zu gestatten.
Sobald Franz mit dem Fuße in der nach allen Richtungen freiliegenden Kapelle stand, fühlte er sich von der frischen Luft wie neu belebt. Durch die Mauerrisse im Schiff und durch die Fensterhöhlen zeigte sich leichtes Gewölk, das der Wind über den Himmel jagte. Auch ein paar Sterne, wenn auch vom Lichte des aufsteigenden Mondes an Glanz ziemlich beeinträchtigt, traten in Sicht.
Jetzt galt es, hinten in der Kapelle die Tür zu finden, durch die der Baron mit Orfanik den Ausgang gefunden hatte. In schräger Richtung drang Franz durch das Schiff vor. Hier war es stockfinster, denn kein Mondstrahl fand Zutritt, und aller Augenblicke stieß er mit dem Fuß an Trümmer von Grabsteinen oder Mauerwerk.
Endlich gab, dort wo der Altar gestanden hatte, an der Rückwand desselben eine wurmstichige Tür dem Druck seiner Hand nach. Die Tür führte auf eine Galerie, die quer über den Wall laufen mußte. Von dort her waren der Baron und Orfanik gekommen, und nach dort hinaus waren sie verschwunden.
In der Galerie herrschte wiederum Stockfinsternis. Nach zahllosem Hin und Her, aber weder auf- noch abwärts, gewann er die Ueberzeugung, daß er sich noch immer auf gleicher Höhe mit der Fläche der Innenhöfe befand.
Nach Verlauf einer halben Stunde schien es, als wenn die Finsternis nachlasse. Durch ein paar seitliche Oeffnungen in per Galerie drang mattes Licht.
Franz konnte schneller zuschreiten und gelangte in eine hohe, weite Kasematte, die unter dem Bastionsvorsprung linksseitig vom Walle gelegen war und eine Anzahl enger Schießscharten aufwies, durch die der Mond einfiel. Ihr gegenüber stand eine Tür weit offen.
Was ihm zunächst Bedürfnis war, war frische Luft. Er eilte zu einer der Schießscharten und sog die frische Nachtluft ein paar Sekunden lang mit vollen Zügen ein. Als er aber von der Schießscharte zurücktreten wollte, meinte er draußen auf dem Orgall-Plateau, das bis zur Tannenregion vom Mondlicht hell beschienen wurde, an seinem untern Ausläufer Gestalten zu erblicken.
Franz blickte gespannt.
Gewiß! Dort gingen Menschen auf und ab, gewiß Karlsburger Polizeimannschaft unter Rotzkos Führung. Wollten sie die Nacht abwarten, bevor sie den Sturm unternahmen? Welche Gewalt mußte sich Franz antun, um den Schrei, der ihm in die Kehle drang, zu unterdrücken – wie gern hätte er Rotzko gerufen, der ihn sicher gehört und seine Stimme sicher erkannt hätte. Aber er mußte fürchten, daß der Schrei oben auf dem Lugturm gehört würde, daß Baron Rudolf, ehe die Polizeimannschaft die Mauern erstiegen hätte, Zeit finden würde, seinen Apparat in Tätigkeit zu setzen und zu fliehen.
Es gelang Franz, die Herrschaft über sich zu gewinnen. Er trat von der Schießscharte zurück, schritt durch die Kasematte, erreichte die Tür und setzte seinen Weg durch die Galerie fort. Nach etwa 500 Schritten gelangte er an die Schwelle einer Treppe, die im Innern des starken Gemäuers verlief.
Befand er sich endlich inmitten des Turms, der von der Waffenkammer aus emporstieg? Es lag Grund vor zu dieser Annahme. Die Haupttreppe, die zu den verschiedenen Stockwerken hinaufführte, schien es aber noch nicht zu sein, denn sie bestand nur aus einer Reihe von Wendelstiegen, die sich wie Schraubengänge in einem schmalen finstern Kasten drehten und wanden.
Geräuschlos, horchend, ohne etwas zu hören, blieb Franz, nachdem er etwa zwanzig Stufen gestiegen war, vor einer Schwelle stehen. Dort öffnete sich, dicht neben der Terrasse, die um das erste Stockwerk des Lugturms lief, eine Tür. Franz schlüpfte an dieser Terrasse hin, sorgsam bedacht, sich hinter der schützenden Brüstung zu halten, immer den Blick auf das Orgall-Plateau hinaus gewandt.
Am Rande der Tannenregion waren nach wie vor Menschen in Sicht. Nichts deutete darauf, daß es ihre Absicht sei, sich der Burg noch weiter zu nähern.
Fest entschlossen, den Baron von Görz zu stellen, ehe er sich durch den Tunnel hatte flüchten können, schritt Franz um das Stockwerk herum, bis er vor einer Tür stand, von der aus die Wendeltreppe höher führte. Er setzte den Fuß auf die erste Stufe, stützte sich mit beiden Händen auf die Wände und begann den Aufstieg.
Nach wie vor dieselbe Stille.
Die Räume im ersten Stock waren unbewohnt.
Franz tummelte sich, die zu den höher gelegenen Stockwerken führenden Stiegenteile zu gewinnen. Im dritten Stock angelangt, traf sein Fuß auf keine Stufe mehr. Hier endigte die Treppe, hier hatte sie ihr Ziel erreicht, den höchstgelegenen Raum im Turme, oberhalb dessen sich die krenelierte Plattform erstreckte, auf der ehedem die Flagge mit dem Wappen der Görze geweht hatte.
Die Wand links vom Treppenhaupte war von einer zur Zeit geschlossenen Tür durchbrochen. Durch das Schlüsselloch, in welchem draußen der Schlüssel steckte, drang ein heller Lichtstrahl. Franz horchte. Drinnen aber kein Laut! Er hielt das Auge an das Schlüsselloch. Bloß das linke Stück eines hell erleuchteten Zimmers ließ sich erkennen. Die größere rechte Hälfte lag im Dunkeln. Franz drehte behutsam den Schlüssel herum und stieß die Tür aus.
Ein geräumiger Saal nahm das ganze obere Stockwerk des Lugturms ein. Auf seinen im Kreise verlaufenden Mauern türmte sich ein hohes Gewölbe, dessen im Mittelpunkte sich treffende Rippen in wuchtigem Zwickel verliefen. Dichte Behänge, alte Gobelins mit figürlichen Darstellungen, bedeckten die Wände des Saals. Einiges alte Mobiliar, Truhen, Wandschränke, Sessel, Schemel, füllte den Raum auf ziemlich künstlerische Art. Die Fenster waren mit dicken Gardinen verhängt, die von dem Innen-Licht nichts hinausgelangen ließen. Auf den Dielen breitete sich ein dicker, den Schall des Trittes dämpfender Wollteppich.
Die Saaleinrichtung war zum mindesten seltsam. Bon dem Kontrast, den sie bot, je nachdem sie von Schatten bedeckt oder von Licht überflutet war, wurde Franz beim Eintritt lebhaft betroffen.
Rechts von der Tür verschwand der Hintergrund inmitten tiefer Finsternis. Links hingegen fiel auf eine tiefschwarz drapierte Estrade ein Lichtschein von gewaltiger Stärke, augenscheinlich aus einem vorn aufgestellten, aber nicht sichtbaren Konzentrations-Apparate herrührend.
Etwa ein Dutzend Fuß von dieser Estrade, geschieden von ihr durch einen Schirm in Stützhöhe, stand ein Armstuhl mit langer Lehne, durch den Schirm von einer Art Dämmerlichtes eingehüllt. Neben dem Armstuhl ein kleiner Tisch mit einer Decke bedeckt. Auf ihr stand eine rechtwinklige Schatulle, 12–15 Zoll lang und 5–6 Zoll breit, bereit mit Edelsteinen inkrustierter Deckel aufgekippt war. In der Schatulle befand sich ein Metall-Zylinder.
Gleich beim Eintritt in den Saal hatte Franz bemerkt, daß jemand in dem Stuhle saß – starr und unbeweglich, mit dem Kopfe an den Rücken des Sessels gelehnt, und mit geschlossenen Lidern – den rechten Arm ausgestreckt auf den Tisch, die Hand auf den vordern Teil der Schatulle gestützt haltend.
Es war ein Mann – es war Rudolf von Görz.
Saß er hier, um zu schlummern? um in diesem höchsten Stockwerk des alten Lugturms diese letzte Nacht zu verbringen? Nein! das war nicht möglich nach den Worten, die er an Orfanik gerichtet, die Franz vernommen hatte.
Der Baron saß allein in diesem Raume – sein Kamerad war ohne Frage gemäß dem ihm zuteil gewordenen Befehle schon auf der Flucht durch den Tunnel begriffen. Und die Stilla? hatte der Baron nicht auch gesagt, daß er sie noch einmal im Schlosse seiner Ahnen hören wolle, bevor es durch Explosion vernichtet werde? – und aus welch anderm Grunde hätte er sich wieder in diesen Saal begeben, wo auch sie ihn allabendlich in Entzücken setzen mochte?
Wo war denn die Stilla?
Franz sah sie weder, noch hörte er sie.
Was kümmerte ihn das jetzt, wo ihm Rudolf von Görz auf Gnade und Ungnade in die Hände geliefert war? – er würde ihn schon zum Reden zu zwingen wissen – aber sollte er sich nicht, wie ihn die überreizte Stimmung trieb, in der er sich befand, auf diesen Menschen stürzen, den er haßte so bitter, wie er wieder gehaßt wurde? der ihm die Stilla geraubt hatte, die Stilla, die noch am Leben, aber ihres Verstandes verlustig war? verlustig gegangen war durch ihn! sollte er ihn nicht rücklings niederstechen?
Franz stellte sich hinter dem Stuhle auf. Bloß einen Schritt noch, und er konnte ihn packen, diesen Menschen, diesen Räuber – und blutrünstigen Auges, gestörten Sinnes hob er die Hand.
Plötzlich erschien die Stilla – und Franz von Telek ließ sein Messer auf den Teppich fallen.
Aufrecht, in voller Beleuchtung, mit wallendem Haar, die Arme vorgestreckt, wunderherrlich in ihrem weißen Angelika-Kostüm, so wie sie sich ihm auf dem Bastionsvorsprung der Burg gezeigt hatte, stand die Stilla auf der Estrade. Ihr Auge war starr auf den jungen Grafen gerichtet und drang ihm bis auf den Grund der Seele.
Daß Franz nicht von ihr gesehen würde, war undenkbar, und doch machte die Stilla keine Gebärde ihn zu rufen – doch öffnete sie die Lippen nicht, mit ihm zu sprechen. – Ach! sie war von Sinnen! von Sinnen!
Franz setzte zum Sprunge an auf die Estrade – sie in die Arme zu schließen, sie aus der Burg zu zerren.
Die Stilla sang – die Stilla sang! – Ohne sich von seinem Sessel zu erheben, saß der Baron wie verzaubert, – weit vorgebeugt, zu ihr hin, zur Estrade hin, zur Stilla, zur Stilla hin! Im Paroxysmus der Begeisterung sog er die süße Stimme ein wie Duft, schlürfte sie wie Göttertrank. So hatte er einst an den Theaterabenden in Italien gesessen, wenn die Stilla auftrat, und gelauscht in Verzückung – so saß er jetzt hier, in diesem Saale, einsam, weltfremd, auf der Warte dieses Turmes, der das Siebenbürgerland beherrschte!
Ja! die Stilla sang! – die Stilla sang für ihn – einzig allein für ihn! – es war, als löste sich ein endlos süßer, unsagbar süßer Hauch von ihren Lippen, die sich doch nicht zu bewegen schienen – aber war auch ihr Verstand gewichen, ihre Seele mit all ihrer herrlichen Kunst wohnte noch unversehrt – noch immer unversehrt – in ihrem Körper. Franz berauschte sich am Wunderliebreiz ihrer Stimme, die er nun fünf lange Jahre nicht mehr gehört hatte – er ging auf in der glühenden Betrachtung dieses Weibes, das er nie wiederzusehen geglaubt hatte und das dort vor ihm stand, lebend, wie durch ein Wunder seinen Augen wiedererweckt!
Und dieser Gesang! war es nicht jenes selbe Lied, das am meisten von allen Liedern aus dem Munde der göttlichen Diva alle Saiten der Erinnerung im Herzen des jungen Grafen erzittern ließ? Ja! ja!! er hatte es im Nu erkannt, jenes Finale aus der tragischen Schlußszene der Oper »Orlando«, in welchem die Seele der Diva brach über jener letzten Strophe:
Innamorata, mio cuore tremante,
Voglio morire ...
Franz verfolgte die herrliche, herrliche Strophe von Note zu Note und sie sollte, das sagte sich Franz, nicht, wie an jenem so schönen und doch so gräßlichen Abend, unterbrochen werden! Nein! – nicht ersterben sollte sie auf den Lippen der Stilla! nicht ihr Schwanengesang sollte es sein – nein, nein, zu Ende, zu Ende sollte sie das Lied, das herrliche, singen!!
Franz atmete nicht mehr – all sein Leben hing an diesem Liede – noch ein paar Takte – und es war zu Ende, zu Ende gesungen in all seiner unvergleichlichen Reinheit und Herrlichkeit.
Aber da war es, als verlöre ihre Stimme an Stärke, an Feuer – es ist als wenn sie zögerte, die schmerzerfüllten Schlußworte zu wiederholen:
Voglio morire ...
Sie bricht nicht zusammen, aber das Lied bricht ab bei demselben Takte, mit derselben Note wie im San Carlo-Theater – sie stößt einen Schrei aus – denselben Schrei, der Franz an jenem Abend in die Ohren gegellt war.
Und doch steht die Stilla, noch immer aufrecht, unbeweglich, mit ihrem Götterblick – jenem Blick, der in die Seele des Grafen alle Liebe senkt, der in der Seele des Grafen alles Feuer entbrennt.
Franz stürzt zu ihr – er will sie aus diesem Saale, diesem Schlosse reißen.
Im selben Augenblick steht er dem Baron gegenüber, der sich von seinem Sessel aufgerichtet hat – Auge in Auge steht er ihm gegenüber.
»Franz von Telek!« schreit der Baron, »Franz von Telek, der seinem Grabe hat entrinnen können –«
Franz aber gibt ihm keine Antwort – auf die Estrade sich schwingend, schreit er in einem fort:
»Stilla! – geliebte Stilla! geliebte Stilla! dich finde ich hier lebendig wieder – lebendig!«
»Lebendig! – die Stilla – lebendig!« schreit der Baron – und dieser sarkastische Ruf endigt in einer gräßlichen Lache, aus der man all die Raserei der Wut heraushört. Lebendig!« ruft Rudolf von Görz noch einmal – »ei, Franz von Telek, so probier's doch, sie mir zu rauben!«
Franz von Telek hat die Arme ausgebreitet, der Stilla entgegen, deren Augen sich flammend auf ihn heften.
In diesem Moment bückt sich Rudolf von Görz, hebt das Messer auf, das der Hand des Grafen entfallen war, und zückt es auf die unbeweglich stehende Stilla – Franz stürzt sich auf ihn, um den Stoß abzuwenden, der die Unglückliche bedroht.
Zu spät – das Messer trifft sie ins Herz.
Plötzlich Geklirr – ein Spiegel zerspringt in tausend Splitter, die durch den Saal fliegen in allen Himmelsrichtungen – und mit den Splittern verschwindet im Nu, aber stückweis, die Stilla.
Franz steht da wie tot – begreift noch immer nicht – ist denn auch er, auch er verrückt?
Da hört er Rudolfs Stimme.
»Nochmals entrinnt die Stilla Franzen von Telek!« schreit der Baron – »aber ihre Stimme – ihre Stimme bleibt mir – gehört mir, allein mir, und wird nie, nie jemand anders gehören!«
Franz hebt zum Sprunge an wider den Grafen, aber die Kräfte verlassen ihn, und bewußtlos bricht er am Fuß der Estrade zusammen.
Rudolf von Görz achtet seiner nicht. Er packt die Schatulle, stürzt aus dem Saale, ins erste Turmstockwerk hinunter – rennt um die Terrasse herum, will die Nebentür gewinnen – da tönt ein Knall – –
Rotzko, am Rande der Kontreskarpe postiert, hat auf den Baron geschossen.
Der Baron ist nicht getroffen, aber Rotzkos Kugel hat die Schatulle zertrümmert, die der Baron unter dem Arme hält.
Einen gräßlichen Schrei stößt er aus – –
»Ihre Stimme! – ihre Stimme! ihre Stimme! – die Seele der Stilla! – sie ist zerschmettert, zerschmettert, zerschmettert!«
Mit zu Berge stehendem Haar, zusammengekrampften Händen rennt er längs der Terrasse, in einem fort schreiend:
»Ihre Stimme! – ihre Stimme! – sie haben mir ihre Stimme zerschossen – – Wehe den Verfluchten! wehe!«
Dann ist er verschwunden durch die Pforte, grade als Nik und Rotzko, ohne auf die Polizeimannschaft zu warten, die Wallmauer erklimmen.
Fast gleichzeitig erdröhnt ein furchtbarer Knall – eine gräßliche Explosion erschüttert den Gebirgsstock des Plesa in allen Fugen – Feuergarben schießen bis zu den Wolken hinauf – und eine Steinlawine überschüttet die Dorfstraße.
Bastionen, Wall, Turm, Schloßkapelle – stürzen, und vom Karpathenschloß ist nichts mehr vorhanden als ein rauchender Schutthaufen.
Kapitel 17
Daß die Zerstörung des Schlosses erst nach der Flucht des Barons vor sich gehen sollte, ist dem Leser aus dem Gespräch zwischen dem Baron und Orfanik noch erinnerlich. Zur Zeit, als die Explosion erfolgte, war es nun aber dem Baron völlig unmöglich, durch den Tunnel auf die Vulkanstraße hinaus zu fliehen. Hatte er im Uebermaß des Schmerzes im Wahnsinn der Verzweiflung das Bewußtsein seiner Tat verloren? Hatte er eine Katastrophe zu schnell heraufbeschworen, der er nun zum ersten Opfer gefallen war? Hatten die unverständlichen Worte, die sich aus seiner Kehle rangen, als Rotzkos Kugel das Futteral zerschmetterte, das er unter dem Arme trug, vielleicht bedeutet, daß er sich unter den Ruinen der Burg begraben wollte?
Jedenfalls war es ein großes Glück, daß sich die durch Rotzkos Flintenschuß überraschte Polizeimannschaft noch in gewisser Entfernung befand, als die Explosion das Felsmassiv erschütterte. So wurden sie kaum von den Trümmern erreicht, die am Fuße des Orgall-Plateaus niederschlugen. Am Fuß des Walles standen allein der Waldhüter und des Grafen Leibhusar, und daß sie von diesem Steinregen nicht zerschmettert worden waren, war ein Gotteswunder.
Die Explosion hatte also ihr Werk vollbracht, als Rotzko und Nik Deck mitsamt der Polizeimannschaft verhältnismäßig mühelos den Wall erstiegen. Fünfzig Schritte ab vom Wall wurde ein Leichnam am Fuße des Lugturmes unter den Trümmern aufgehoben, es war die Leiche Rudolfs von Görz. Ein paar Leute der Gegend, darunter Schulze Koltz, erkannten ihn ohne Zaudern wieder.
Rotzko und Nik Deck beschäftigten, sich nur um den jungen Grafen. Da er innerhalb der mit seinem Leibhusar vereinbarten Frist nicht wiedergekehrt war, mußte es ihm nicht möglich gewesen sein, aus dem Schlosse zu entrinnen, aber Rotzko getraute sich nicht zu hoffen, daß sein Herr die Katastrophe überlebt habe. Er weinte helle Tränen, und Nik Deck wußte nicht, wie er ihn beruhigen sollte. Nach einer halben Stunde fand man aber den jungen Grafen im ersten Stock des Lugturmes unter einem Mauervorsprung, der ihn vor Zerschmetterung bewahrt hatte.
»Mein Herr! Mein armer Herr!«
»Herr Graf!«
Das waren die ersten Worte, die Rotzko und Nik Deck sprachen, als sie sich über Franz neigten. Sie mußten glauben, er sei tot, er war aber nur ohnmächtig. Doch als er die Augen aufschlug, war sein Blick starr und tot, und es schien, als wenn er seinen Diener weder erkannte noch verstände.
Nik Deck, der den jungen Grafen in die Arme genommen hatte, sprach ihm noch zu, erhielt aber keine Antwort.
Nur die letzten Worte des Gesanges der Stilla kamen aus seinem Munde:
Innamorata ... Voglio morire ...
Franz von Telek war von Sinnen.
Kapitel 18
Der junge Graf hatte den Verstand verloren, und ohne Zweifel hätte infolgedessen niemand die Erklärung der letzten Erscheinungen erhalten, die sich im Karpathenschlosse abgespielt hatten, wenn nicht unter den folgenden Umständen Ermittelungen angestellt worden wären.
Vier Tage lang hatte Orfanik der Verabredung gemäß gewartet, daß Baron von Görz in dem Flecken Bistritz zu ihm stoßen würde. Als er nicht wiederkam, hatte er sich gefragt, ob er bei der Explosion umgekommen sei. Von Neugierde in gleichem Maße wie von Unruhe getrieben, hatte er die Ortschaft verlassen und war wieder nach Werst gegangen, um abermals in der Umgebung der Burg herumzustreifen.
Das lief aber schlecht ab, denn auf die Angaben Rotzkos hin, der ihn schon lange kannte, nahmen die Polizeibeamten ihn auf der Stelle fest.
Als er in der Hauptstadt des Komitats von der Obrigkeit vernommen wurde, beantwortete er ohne Schwierigkeiten die Fragen, die im Verlaufe der über diese Katastrophe angeordneten Untersuchung an ihn gerichtet wurden.
Das traurige Ende des Barons Rudolf von Görz schien dem egoistischen, hirnverbrannten Gelehrten, dessen Herz nur an seinen Erfindungen hing, nicht weiter nahe zu gehen.
An erster Stelle versicherte Orfanik auf die von Rotzko gestellten Fragen, daß die Stilla tot sei, mausetot, – so drückte er sich aus – und daß sie schon vor fünf Jahren auf dem Kirchhof des Campo Santo Nuovo zu Neapel beerdigt worden sei.
Diese Versicherung war noch nicht die geringste der Ueberraschungen, die dieses seltsame Abenteuer zeitigen sollte.
Wenn die Stilla in der Tat tot war, wie war es dann gekommen, daß Franz im großen Saale des Gasthauses ihre Stimme vernommen hatte, daß er sie auf der Bastion hatte erscheinen sehen, daß er dann, als er in der Gruft eingeschlossen gewesen war, sich an ihrem Gesange berauscht hatte? Wie hatte er sie schließlich lebend in der Kammer des Lugturmes wiederfinden können?
Diese verschiedenen, anscheinend unerklärlichen Rätsel fanden die folgende Lösung.
Man erinnert sich, von welcher Verzweiflung Baron Görz ergriffen wurde, als er das Gerücht vernahm, daß die Stilla sich entschlossen habe, das Theater zu verlassen, um Gräfin von Telek zu werden.
Um diese Zeit machte ihm Orfanik den Vorschlag, mittels phonographischer Apparate die Hauptnummern des Repertoires aufzunehmen, das die Sängerin sich für ihre Abschiedsvorstellungen zurecht gelegt hatte. Diese Apparate waren damals! wunderbar vervollkommnet, und Orfanik hatte sie auf eine solche Stufe der Vollendung erhoben, daß die menschliche Stimme in ihrer Wiedergabe durch sie an Reiz und Reinheit nicht das geringste verlor.
Baron Görz nahm das Anerbieten des Physikers an. Nacheinander wurden Phonographen in der vergitterten Loge des Theaters aufgestellt im letzten Monat der Spielzeit. So gruben sich auf ihren Rollen Kavatinen, Opernarien und Konzertlieder ein und unter andern auch das Finale aus »Orlando«, das durch den Tod der Stilla unterbrochen worden war.
So hatte Baron Görz sich in sein Karpathenschloß eingeschlossen, und allabendlich konnte er nun dort die Gesänge hören, die durch diese wunderbaren Apparate festgehalten waren. Und er hörte nicht nur die Stilla, als säße er in seiner Loge, – sondern, was völlig rätselhaft erschien, er sah sie auch leibhaftig vor sich.
Das war ein bloßes Kunststück der Optik.
Wie erinnerlich, hatte der Baron ein prächtiges Gemälde der Sängerin erworben. Auf diesem Gemälde war sie in ihrer weißen Tracht als Angelika aus »Orlando« mit offnem Haar dargestellt. Durch Spiegel, die in einem bestimmten von Orfanik berechneten Winkel geneigt standen, und durch kraftvolle Beleuchtung des Gemäldes erzielte man nun, daß die Stilla durch Spiegelung ebenso natürlich erschien wie damals, als sie noch in der Fülle ihres Lebens und dem vollen Glanze ihrer Schönheit geprangt hatte. Mittels dieses Apparates, der in der Nacht auf die Bastion geschafft worden war, hatte Rudolf von Görz sie erscheinen lassen, als er Franz von Telek hatte heranlocken wollen. Mittels dieses Apparates hatte der junge Graf die Stilla wiedergesehen in der Halle des Lugturmes, während ihr fanatischer Bewunderer sich an ihrer Stimme und ihrem Gesange berauschte.
Das sind in großem Umriß die Angaben, die Orfanik machte im Verlauf der Untersuchung. Und mit beispiellosem Stolze bekannte er sich zum Erfinder dieser genialen Apparate, die er auf die höchste Stufe der Vollkommenheit gebracht hatte.
Wenn nun auch Orfanik die sachliche Erklärung dieser verschiedenen Erscheinungen gegeben hatte, so blieb doch noch unerklärt, warum Baron Görz nicht Zeit gefunden hatte, sich vor der Explosion durch den nach der Vulkanstraße führenden Tunnel zu retten. Aber als Orfanik vernommen hatte, daß eine Kugel den Gegenstand zerschmettert hatte, den Rudolf unter dem Arme getragen hatte, da begriff er. Dieser Gegenstand war der phonographische Apparat gewesen, der den letzten Gesang der Stilla enthielt, es war derselbe, den Rudolf von Görz noch einmal in der Halle des Lugturmes hatte hören wollen, vor der Zerstörung.
Und als dieser Apparat zerstört war, war auch das Leben des Baron Görz zerstört, und toll vor Verzweiflung hatte er sich unter den Ruinen der Burg begraben wollen.
Baron Rudolf von Görz ist mit allen Ehren, die seiner mit ihm erlöschenden Familie zukamen, auf dem Friedhöfe von Werst beerdigt worden. Den jungen Grafen von Telek hat Rotzko nach dem Schlosse von Krajowa bringen lassen, wo er sich ganz der Pflege seines Herrn widmet. Orfanik hat gern an ihn die phonographischen Rollen abgetreten, die die andern Gesänge der Stilla enthalten, und wenn Franz die Stimme der großen Künstlerin hört, dann erwacht in ihm die Aufmerksamkeit, die Geisteshelle der früheren Zeit, seine Seele scheint aus den Erinnerungen dieser unvergeßlichen Vergangenheit neues Leben zu schöpfen.
Nach ein paar Monaten hatte der junge Graf den Verstand wiedergefunden, und durch ihn wurden dann die Einzelheiten dieser letzten Nacht im Karpathenschlosse bekannt.
Nachdem die festgesetzte Frist von acht Tagen nach der Katastrophe verstrichen war, fand die Hochzeit der reizenden Miriota und Nik Decks statt. Als die Brautleute im Dorfe Vulkan den Segen des Popen empfangen hatten, kehrten sie nach Werst zurück, wo Schulze Koltz ihnen das schönste Zimmer seines Hauses eingeräumt hatte.
Obwohl nun diese verschiedenen Phänomene in natürlicher Weise ihre Erklärung fanden, darf man doch nicht denken, daß die junge Frau nicht mehr an phantastische Erscheinungen in der Burg geglaubt hätte. Alle Vorstellungen Nik Decks fruchteten nichts – sie ließ sich ebenso wenig überzeugen wie Schulze Koltz, wie der Schäfer Frik, wie der Schulmeister Hermod und die anderen Bewohner von Werst. Jahre mochte es noch währen, ehe diese wackern Leute ihren Aberglauben aufgegeben hätten.
Doktor Patak, der jetzt wieder obenauf ist, sagt unaufhörlich jedem, der es hören will:
»Na, hab' ich's nicht gesagt? – Geister im Schlosse? – Gibt es denn überhaupt Geister?«
Aber niemand hört auf ihn, ja er wird gebeten, doch den Mund zu halten, wenn er gar zu sehr sich lustig macht.
Uebrigens hat auch Schulmeister Hermod noch immer seinen Unterrichtsstunden die transsylvanischen Sagen zugrunde gelegt. Noch lange Zeit wird der junge Nachwuchs im Dorfe Werst daran glauben, daß die Geister der andern Welt ihr Wesen treiben in den Ruinen des Karpathenschlosses.
Ende.